Plötzlich schließen Restaurants, Flüge werden gestrichen, an Urlaub und Clubleben ist nicht mehr zu denken. Weltweit hat COVID-19 unser gesellschaftliches Leben in kurzer Zeit lahmgelegt und der digitalen Unterhaltungsindustrie, insbesondere Videospielen, mehr Bedeutung verliehen.
Letzteren gelang es vermutlich am besten, sich an das „Neue Normal“ der Pandemie anzupassen, da Distributoren und Publisher schon seit Jahren an einer Transformation zum Online-Geschäft arbeiten. Doch wie erging es dem professionellen Gaming, dem Esport und seinen Live Events im Pandemiejahr 2020?
Schmerzhafte Einschnitte
Es dauerte nicht lange, bis die großen Player im Esport auf die Pandemie reagierten. Glücklicherweise wurden rasch Schritte gesetzt, um die eigenen Veranstaltungen nicht zum Katalysator für das Corona Virus zu machen, selbst wenn das wirtschaftliche Einbußen bedeutete. Vorbildlich.
So waren es die League-of-Legends-Macher Riot Games, die ihre chinesischen Profiligen „aufgrund des Ausmaßes des Coronavirus“ im Januar erstmals verschoben. Man entschuldigte sich bei Fans und versicherte, dass es keine einfache Entscheidung gewesen war. Ähnliche Bilder aus der Overwatch League, geführt von World-of-Warcraft-Publisher Blizzard.
Um die eigene Franchise-Liga weiterzuentwickeln, war ursprünglich für 2020 vorgesehen, die Mannschaften in ihren jeweiligen Heimatorten anzusiedeln und Spiele regional auszutragen. Im Februar sah man dieses Konzept aber bröckeln, als Blizzard die Gefahr des Virus erkannte. Die chinesischen Homestands von Shanghai, Guangzhou, Hangzhou und Chengdu wurden zunächst nach Korea verlagert, ehe diese ebenfalls geschlossen wurden.
Im März dann die erste Eruption in Europa. Eines der größten und ruhmreichsten Events der Welt, die Intel Extreme Masters, wurden für Besucher gesperrt. Die Ankündigung kam einen Tag vor Öffnung der Spodek Arena. Bitter, nicht nur für die ESL als Veranstalter, sondern auch für den Austragungsort Kattowitz, jährliche Pilgerstätte für hunderttausend Esport-Fanatiker, die als zahlende Touristen wegbrachen.
Ass im Ärmel
Schlagzeilen in diesem Tenor dominierten den Esport im Jahre 2020. Glücklicherweise priorisierten Veranstalter die Sicherheit und Gesundheit von Spielern, Fans und Mitarbeitern. So fielen der Pandemie allerdings viele weitere Massenveranstaltungen zum Opfer. Alle FIFA-Turniere von EA Sports, die Fortnite Weltmeisterschaft, das Rainbow Six Invitational, Fighting Game Turniere wie CEO und Combo Breaker, oder das sagenumwobene The International 10. Letzteres hätte ein Preisgeld von 40 Millionen USD ausgeschüttet, wäre es über die Bühne gegangen.
Doch während Mitmachevent um Mitmachevent abgesagt wurde, arbeiteten die Veranstalter emsig an alternativen Wegen, ihre Pläne für 2020 doch noch zu retten. Offline wird ja deshalb gespielt, da es im Esport oft um hohe Preisgelder und lukrative Sponsorenverträge geht und man den
Wettbewerb nicht durch Latenzprobleme gefährdet sehen will. Doch ist LAN keine Option mehr, wieso nicht einfach auf Online-Events ausweichen?
Genau diesen Gedanken verfolgten nun alle Organisatoren, Turnierleiter und Publisher – so auch in Österreich, wie Marco Harfmann, Director Marketing Communications A1 und Schirmherr der A1 eSports League, zu berichten weiß. „Durch die COVID-19 Situation waren auch wir gezwungen, rasch umzuplanen und unsere Angebote zu adaptieren. Die Liga-Übertragungen wurden kurzerhand aus Home-Studios produziert und das geplante Publikumsevent wurde in ein Online-Spektakel ohne Besucher und Spieler vor Ort umgewandelt, bei dem wir sehr stark auf digitale Lösungen wie 2nd Screen Anwendungen, 3D-Realisierungen und ähnliches gesetzt haben.“
Österreich: Content versus Virus
Das internationale Bild zeichnete sich laut Manuel Haselberger, Pressesprecher des ESVÖ, auch in der österreichischen Landschaft ab. „Direkt betroffen waren vor allem Veranstalter. Egal ob LAN Parties, Offline-Turniere oder Conventions: Heuer haben hier viele Fixpunkte der österreichischen Szene gefehlt.“ Den Online-Bewerben kann Haselberger dennoch etwas abgewinnen. „Man muss fairerweise sagen, dass es andere Branchen – oder auch den Sport – wesentlich härter getroffen hat. Der Esport ist von Natur aus digital und konnte sich daher fast nahtlos auf einen reinen Online-Betrieb umstellen.“
Marco Harfmann von A1 führt fort, dass kompetitives Gaming in der Pandemie sogar Wachstum erfuhr. „Während andere Branchen pausieren mussten, gab die Esports Szene Vollgas und produzierte noch mehr virtuellen Content. Dadurch bedingt ist auch die mediale Berichterstattung hierzulande deutlich gestiegen und das Thema hat in der breiten Bevölkerung mehr Aufmerksamkeit erhalten.“
Tatsächlich sehen es Vertreter des klassischen Sports genauso. Patrick Lenhart leitet Marketing und PR der österreichischen Fußballbundesliga und ist Mitinitiator der eBundesliga, welche seit 2018 in der Fußballsimulation FIFA ausgetragen wird. Die eBundesliga wurde damals gegründet, um mehr Menschen dem Kernprodukt zuzuführen; in Zeiten der Pandemie kommt man mit dieser Strategie nun voll auf die Kosten.
„Wir haben schon während des ersten Lockdowns ein nationales sowie ein internationales Format ins Leben gerufen. Das war eine tolle Möglichkeit, auch ohne Fußball auf dem grünen Rasen Reichweite zu erzielen,“ erklärt Lenhart. Außerdem bescheinigt er dem digitalen Bewerb eine gewisse Pandemieresistenz, auch unter strikten Auflagen. „Selbst im strengsten Lockdown ist es im digitalen Bereich möglich, eine virtuelle Meisterschaft durchzuführen. Das geht im klassischen Fußball ja mitunter nicht. (…) Esport an sich ist jedoch in einer Pandemie eine sehr interessante Zusatzoption. Während Kontaktsport natürlich an die Vorgaben und Empfehlungen der Behörden, sowie Experten gebunden ist, kann man den Online-Betrieb quasi ohne Einschränkungen fortsetzen.“
Die Ligen konnten sich also rasch an die neuen Gegebenheiten anpassen, heimischen Eventveranstaltern fiel dies schwieriger. Der digitale Shift gelang etwa der herbstlichen Game City 2020 nicht, sie wurde mangels Alternativkonzept gänzlich gestrichen. Die Vienna Challengers Arena hingegen organisierte ihre Turniere im Netz weiter. „Dies gibt die Möglichkeit weiterhin Content abzubilden, Communities zu begeistern und auch auf Seiten der Partner Kontinuität zu wahren,“ sagt Florian Schermann, Head of VCA & VIECC bei Austrian Exhibition Experts. Er bezeichnet die Ausweichmaßnahmen als „großen Erfolg“, weswegen auch 2021 die monatlichen Qualifikationen zur VCA weitergeführt werden sollen.
Online als Marschplan
Die heimische Szene wird sich 2021 auf unterschiedliche Szenarien vorbereiten müssen, eines davon ist rein digital. Der Blick auf die internationale Landschaft macht dabei jedoch Hoffnung.
Die vor leerem Hause abgehaltenen Intel Extreme Masters litten zumindest online nicht unter COVID-19. Das Große Finale zwischen G2 Esports und NaVi wurde mit über einer Millionen Zuseher gleichzeitig zu einem der meistverfolgten Counter-Strike-Events aller Zeiten. Auch Riot mussten sich mit ihrer Weltmeisterschaft nicht verstecken. Beim in 16 Sprachen übertragenen Finale in League of Legends, schalteten über 45 Millionen Menschen zeitgleich zu. Diese Zahl inkludiert zwar die gigantischen asiatischen Märkte, aber der Trend nach oben stimmt. Selbst „kleinere“ Produkte wie die Overwatch League oder die NBA2K League verzeichneten stark ansteigende Zuschauerzahlen im hohen zweistelligen Bereich.
Dass Esport trotz Pandemie online funktionieren, leben und gedeihen kann, bestätigen Zahlen wie diese, weswegen 2021 wohl das große Jahr der Mediendeals in der Industrie werden könnte. YouTube hat sich 2020 bereits die Rechte für die Call of Duty League und Overwatch League gesichert. ESL und Dreamhack schlossen einen Vertrag mit Blake Broadcasting bis 2024 ab und Insidern zufolge möchte auch Riot die Übertragungsrechte für diverse Ligen bald verkaufen. Kevin Hitt vom TEO prognostiziert: „Es ist eine Tatsache, dass Esports Zuschauerzahlen gestiegen sind. Während viele unsicher sind, welche Auswirkungen COVID-19 auf die Industrie haben könnte, werden die Zahlen weiterhin steigen.“